Brief von Johann Adam Pupikofer an Joseph von Laßberg (30.12.1828).

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Metadata

Signatur: Frauenfeld, Staatsarchiv Thurgau, 9'45, 1.1/75.1

Registernummer (Laßberg):

Registernummer (Harris): 2228

Gedruck in: Johannes Meyer, Briefwechsel zwischen J. von Laszberg und Johann Adam Pupikofer. In: Alemannia 16 (1888), S. 1-32 und 97-154, S. 28

Original Text

Mein verehrtester Herr und Nachbar! Wie übel es doch Ihrem Schneehuhn ergangen ist! Wohl war in der Todesstunde demselben kein geringer Trost die Hoffnung, von einem sachverständigen Gaumen der Feinheit und Schmack haftigkeit gerühmt zu werden und somit wenigstens einen Schatten des Nachruhms einzuernten. Wie schmeichelhaft mochte die Aussicht seyn, in der Zelle des heiligen EppoWIKIDATA Icon zum Opfer zu dienen, und von einem so hocherfahrenen des edlen Weidwerks durch und durch kundigen JägerGND Icon gespeißt zu werden. Nun kommt es einem armen ChorsängerGND Icon in die Hände, der nichts anders als Erdäpfel und Kalbsbraten zu beurtheilen versteht und alle Hoffnung auf eine auch nur augenblickliche Berühmtheit ist verschwunden. Was wird die gute Frau DoctorinGND Icon dazu sagen? Unser einer denkt dabey an die Brosamen, die von des Reichen Tische fielen und dankt gar schön. Aber selbst im Alten Jahre nochmals zu Ihnen zu kommen will mir nicht gelingen; ich sollte die comentationes fatales📖 des edelen Mannes RütinerGND Icon in einigen Tagen zurück gehen lassen, und bin kaum zur Hälfte damit fertig. Was er doch von der Frau des gelehrten Fritz Jakob vom AnwylGND Icon schreibt! Tom. I. p. 31. heißt es: Uxor Jacobi Fritz von Anwyl tum cum libros biblio pola adfert: "supersunt aegrotanti podagra" vel immensum pretium dicit poscere, ne emat. Si vir sciret, contunderetur. Liest man dieß nicht auch im Gedichte der herrischen Frau auf Ihrer gemahlten Scheibe. Herr Dekan DänikerGND Icon wünscht Ihnen guten Empfang der Morgen blätter, die Sie mit Muße durchgehen können. Die frühern Jahr gänge hat er nicht mehr. Mit der Abfassung des Thurg. Neujahr stücks📖 bitte ich, Nachsicht zu tragen. Das Schafhausersche📖 werden Sie wohl bereits bekommen haben: aber Herr Pfr. KirchhoferGND Icon lobt die Empfänglichkeit dafür nicht sehr. Wir haben am Neujahr-Abend auf dem Schlosse ein Abendessen welchem Herr OberamtmannGND Icon und Herr Dekan DänikerGND Icon mit ihren Frauen beiwohnen werden; wir werde auch Punsch anfertigen, und den jungen Leuten und den Laien Gelegenheit zum Tanz verschaffenen. Wollen Sie nicht auch dabey seyn? Am Tage des heil. Bertholdus, der im Kalender freylich nach dem unschuldigen Schäfer Abel den Ehrenplatz läßt, spreche ich um ein Süppchen in EppishausenWIKIDATA Icon ein: da werden Sie doch wohl nicht ausweichen? Und nun Gott befohlen, das Alte Jahr! Das Neue bringe Ihnen recht viele Antiquitäten in's Haus, und nehme Ihnen keines der Güter, die Sie bereits besitzen. Mir erhalte es Ihr freundschaftliches Wohlwollen und das Vergnügen, recht oft bey Ihnen zu sein. Leben Sie wohl, wie es von Herzen wünscht. Ihr Diac. Pupikofer Bischofzell den 30. Dec. 1828.

Normalisierter Text

Mein verehrtester Herr und Nachbar! Wie übel es doch Ihrem Schneehuhn ergangen ist! Wohl war in der Todesstunde demselben kein geringer Trost die Hoffnung, von einem sachverständigen Gaumen der Feinheit und Schmack­ haftigkeit gerühmt zu werden und somit wenigstens einen Schatten des Nachruhms einzuernten. Wie schmeichelhaft mochte die Aussicht sein, in der Zelle des heiligen Eppo zum Opfer zu dienen, und von einem so hocherfahrenen des edlen Weidwerks durch und durch kundigen Jäger gespeist zu werden. Nun kommt es einem armen Chorsänger in die Hände, der nichts anders als Erdäpfel und Kalbsbraten zu beurteilen versteht und alle Hoffnung auf eine auch nur augenblickliche Berühmtheit ist verschwunden. Was wird die gute Frau Doktorin dazu sagen? Unser einer denkt dabei an die Brosamen, die von des Reichen Tische fielen und dankt gar schön. Aber selbst im Alten Jahr nochmals zu Ihnen zu kommen will mir nicht gelingen; ich sollte die commentationes fatales des edlen Mannes Rütiner in einigen Tagen zurückgehen lassen, und bin kaum zur Hälfte damit fertig. Was er doch von der Frau des gelehrten Fritz Jakob vom Anwyl schreibt! Tom. I. p. 31. heißt es: Uxor Jacobi Fritz von Anwyl tum cum libros biblio­ pola adfert: "supersunt aegrotanti podagra" vel immensum pretium dicit poscere, ne emat. Si vir sciret, contunderetur. Liest man dies nicht auch im Gedichte der herrischen Frau auf Ihrer gemalten Scheibe. Herr Dekan Däniker wünscht Ihnen guten Empfang der Morgen­ blätter, die Sie mit Muße durchgehen können. Die früheren Jahr­ gänge hat er nicht mehr. Mit der Abfassung des Thurg. Neujahr­ stücks bitte ich, Nachsicht zu tragen. Das Schafhausersche werden Sie wohl bereits bekommen haben: aber Herr Pfr. Kirchhofer lobt die Empfänglichkeit dafür nicht sehr. Wir haben am Neujahrsabend auf dem Schlosse ein Abendessen welchem Herr Oberamtmann und Herr Dekan Däniker mit ihren Frauen beiwohnen werden; wir werden auch Punsch anfertigen, und den jungen Leuten und den Laien Gelegenheit zum Tanz verschaffen. Wollen Sie nicht auch dabei sein? Am Tage des heil. Bertholdus, der im Kalender freilich nach dem unschuldigen Schäfer Abel den Ehrenplatz lässt, spreche ich um ein Süppchen in Eppishausen ein: da werden Sie doch wohl nicht ausweichen? Und nun Gott befohlen, das Alte Jahr! Das Neue bringe Ihnen recht viele Antiquitäten ins Haus, und nehme Ihnen keines der Güter, die Sie bereits besitzen. Mir erhalte es Ihr freundschaftliches Wohlwollen und das Vergnügen, recht oft bei Ihnen zu sein. Leben Sie wohl, wie es von Herzen wünscht. Ihr Diac. Pupikofer Bischofzell den 30. Dez. 1828.

Translation

My most esteemed Sir and Neighbor! How unfortunate it is for your ptarmigan! Indeed, in its final hour, it had no small comfort in the hope of being praised for its delicacy and tastiness by a knowledgeable palate, thereby at least earning a shadow of posthumous fame. How flattering must have been the prospect of serving as a sacrifice in the cell of Saint Eppo and being consumed by such an experienced hunter thoroughly acquainted with the noble game. Now it falls into the hands of a poor choirmaster, who understands nothing but potatoes and roast veal, and all hope of even momentary fame has vanished. What will the good doctor's wife say to this? We think of the crumbs that fall from the rich man's table and offer our sincere thanks. Yet, even at the end of the year, it seems I cannot come to you again; I should return the "comentationes fatales" of the noble Mr. Rütiner in a few days, and I am scarcely halfway through. What he writes about the wife of the learned Fritz Jakob von Anwyl! In volume one, page 31, it says: "Uxor Jacobi Fritz von Anwyl" when the bookseller brings books, "supersunt aegrotanti podagra" or demands an immense price, lest he buy. If the husband knew, he would be crushed. Does one not also read this in the poem of the imperious lady on her painted pane? Mr. Dean Däniker wishes you a good reception of the Morning Papers, which you can go through at your leisure. He no longer has the earlier volumes. I ask for your patience with the drafting of the Thurgau New Year's piece. You probably have already received the one from Schaffhausen, but Mr. Pastor Kirchhofer doesn't highly praise the receptivity for it. On New Year's Eve, we have a dinner at the castle, which Mr. Oberamtmann and Mr. Dean Däniker with their wives will attend; we will also make punch and provide the young people and laymen the opportunity to dance. Would you not like to join us? On the day of Saint Berthold, who, in the calendar, graciously leaves the place of honor to the innocent shepherd Abel, I will request a little soup in Eppishausen: you will surely not decline? And now, Godspeed to the Old Year! May the New Year bring you many antiquities into your home and take away none of the goods you already possess. May it preserve your friendly goodwill towards me and the pleasure of being with you very often. Farewell, as is earnestly wished from the heart. Yours, Diaconus Pupikofer Bischofzell, December 30, 1828.