Mein verehrtester
Herr und Nachbar! Wie übel es doch Ihrem Schneehuhn ergangen ist! Wohl war
in der
Todesstunde demselben kein geringer Trost die Hoffnung, von einem
sachverständigen Gaumen der Feinheit und Schmack haftigkeit gerühmt
zu werden und somit wenigstens einen Schatten des Nachruhms einzuernten. Wie schmeichelhaft
mochte die
Aussicht seyn, in der
Zelle des heiligen
Eppo
zum Opfer zu dienen, und von einem so hocherfahrenen des edlen Weidwerks durch und
durch
kundigen
Jäger
gespeißt zu werden. Nun kommt es einem
armen
Chorsänger
in die Hände, der nichts anders als Erdäpfel und Kalbsbraten zu beurtheilen
versteht und
alle Hoffnung auf eine auch nur augenblickliche Berühmtheit ist
verschwunden. Was wird die gute
Frau
Doctorin
dazu sagen? Unser einer denkt dabey an die Brosamen, die von des
Reichen Tische fielen und dankt gar schön. Aber selbst im Alten Jahre nochmals zu Ihnen zu
kommen will
mir nicht gelingen; ich sollte die
comentationes
fatales📖 des edelen Mannes
Rütiner
in einigen Tagen zurück gehen lassen, und
bin kaum zur Hälfte damit fertig. Was er doch von der Frau des gelehrten
Fritz Jakob
vom Anwyl
schreibt!
Tom. I. p. 31. heißt es: Uxor Jacobi Fritz von Anwyl tum
cum libros biblio pola adfert: "supersunt aegrotanti podagra" vel immensum
pretium dicit
poscere, ne emat. Si vir sciret, contunderetur. Liest man dieß
nicht auch im Gedichte der herrischen Frau auf Ihrer gemahlten
Scheibe. Herr
Dekan
Däniker
wünscht Ihnen guten Empfang der
Morgen blätter, die Sie mit Muße durchgehen können. Die frühern Jahr gänge
hat er nicht mehr. Mit der Abfassung des
Thurg.
Neujahr stücks📖 bitte ich, Nachsicht zu tragen. Das
Schafhausersche📖 werden Sie wohl bereits bekommen haben: aber Herr Pfr.
Kirchhofer
lobt die Empfänglichkeit dafür nicht sehr. Wir haben am
Neujahr-Abend auf dem Schlosse ein Abendessen welchem Herr
Oberamtmann
und Herr Dekan
Däniker
mit ihren Frauen beiwohnen werden; wir werde auch Punsch anfertigen, und den jungen
Leuten und den Laien Gelegenheit zum Tanz verschaffenen. Wollen Sie nicht auch dabey seyn? Am
Tage des heil. Bertholdus, der im Kalender freylich nach dem unschuldigen Schäfer Abel den
Ehrenplatz läßt, spreche ich um ein Süppchen in
Eppishausen
ein: da werden Sie doch wohl nicht ausweichen? Und nun Gott befohlen, das Alte Jahr! Das Neue bringe
Ihnen recht
viele Antiquitäten in's Haus, und nehme Ihnen keines der Güter, die Sie
bereits besitzen. Mir erhalte es Ihr freundschaftliches Wohlwollen und das
Vergnügen, recht oft bey Ihnen zu sein. Leben Sie wohl, wie es von Herzen wünscht. Ihr
Diac. Pupikofer
Bischofzell den
30. Dec. 1828.