Basel 8/8/33. Hochwohlgeborner
Herr, Hochzuvererender Herr Baron! Das traurige Ereignis das ich gleich nach meiner Rückehr
hier erlebte, die Unruhe und Verwirrung, in der sich Alles befindet, hat er mir erst jetzt gestattet
Ihrem Befehl zu genügen und zur Wiederlangung des bewußten
Altarbildes Schritte zu thun. Er steht in der
Stadtgerichts schreibung wohl aufgehoben da und wird mir, sobald ich es
verlange, ausgeliefert werden. Das ist bloss ungewiss, ob vielleicht noch uner ledigte Speditionskosten darauf haften: ich soll Sie fragen ob Sie sich erinnern,
in welcher Art Sie es hergesendet haben, gleich auf Ihre oder auf
der
Verstorbenen
Kosten? Es kommt ganz auf Ihr Gedächtnis an.
Wie befehlen Sie nun, geehrtester Herr Baron, die Übersendung?
Doch woll mit einer Frachtfuhre? Zur Post würde es zu theuer seyn. Und ich denke, den grossen
Querbalken, den ein Mann kaum erheben kann und auf dem nichts steht als ein Vers aus den
Psalmen, brauche ich nicht mit ein zu packen? Wie schön war die Reise, wie schön besonders durch
Ihre unverdiente Freundlich keit! Aber Trauer und Verdruss und trübe Erwartungen
stoeren mir seit jenem unseligen Kriegstage alle Nachfreude der Erinnerung. Morgen wird es entschieden werden,
ob
Basel
eine Belagerung wagt oder sich von den Radicalen Gesetze
vorschreiben laest, ob wir eidgenössische Truppen einnehmen oder nicht. Beides ist
schlimm, aber das Eine schlimmer, und ich fürchte, man werde gerade dazu sich
entschliessen. Von
Rapperschwil
aus gieng ich, weil das schlechte Wetter anhielt, wieder nach
Zürich
. Dort fanden sich auf der
Wasserkirche
noch
schöne Sachen vor, z. B. eine Logik u. Rhetorik aus dem Anfange des XI Jh.
mit deutschen Bei spielen, und auch der Text halb deutsch halb lateinisch.
Unter den Bei spielen auch deutsche Verse, dieselben die
Docen
in
Archivs
Beiträgen Bd VII📖, aus virgilianischen Glossen zu
München
bekannt
gemacht hat. Besitzen Sie die Beitr. und dürfte ich Sie dann auf einige Tage
darum bitten, um diesen und die folgenden Bände? Von Arau aus begab ich
mich nach
Muri
; von da, weil nun endlich das Wetter schön war, und wie schön! auf den
Rigi
. Da traf ich auch Herrn
Pupikofer
wieder an. Nach
Beromünster
kam
ich zu spät:
Stalder
war einige Stunden vorher begraben worden. Auch in
S. Urban
bin ich
gewesen. Die klösterliche Zucht ist da eben nicht gar strenge. Von
Göttingen
habe ich traurige Briefe. Dem Br.
Grimm
ist eine
Schwester
gestorben.
Wilhelm
ist in
Wiesbaden
. Verzeihen Sie mir
geneigtest die schlechte Schrift und die Eilfertigkeit dieses Briefes, ich muss
zum Appell u. dann wahrscheinlich auf die Wache. Aus dem Studieren wird in
diesen Zeiten nicht viel. Darf ich Sie, schon des
Altarbildes wegen, um eine recht baldige Antwort bitten. Empfehlen
Sie mich Ihren werthen Hausgenossen bestens und erhalten Sie mir
Ihr freundliches Wohlwollen, der ich bin, hochzuverehrender Herr Baron Ihr gehorsamst
ergebener Wilh.
Wackernagel. Quomodo sedes sola
civitas plena populo? facta est quare redua domina gentinur.