Brief von Wilhelm Wackernagel an Joseph von Laßberg (08.08.1833).

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Metadata

Signatur: Basel, Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt,

Registernummer (Laßberg):

Registernummer (Harris): 2472

Gedruck in:

Original Text

Basel 8/8/33. Hochwohlgeborner Herr, Hochzuvererender Herr Baron! Das traurige Ereignis das ich gleich nach meiner Rückehr hier erlebte, die Unruhe und Verwirrung, in der sich Alles befindet, hat er mir erst jetzt gestattet Ihrem Befehl zu genügen und zur Wiederlangung des bewußten Altarbildes Schritte zu thun. Er steht in der Stadtgerichts schreibung wohl aufgehoben da und wird mir, sobald ich es verlange, ausgeliefert werden. Das ist bloss ungewiss, ob vielleicht noch uner ledigte Speditionskosten darauf haften: ich soll Sie fragen ob Sie sich erinnern, in welcher Art Sie es hergesendet haben, gleich auf Ihre oder auf der VerstorbenenGND Icon Kosten? Es kommt ganz auf Ihr Gedächtnis an. Wie befehlen Sie nun, geehrtester Herr Baron, die Übersendung? Doch woll mit einer Frachtfuhre? Zur Post würde es zu theuer seyn. Und ich denke, den grossen Querbalken, den ein Mann kaum erheben kann und auf dem nichts steht als ein Vers aus den Psalmen, brauche ich nicht mit ein zu packen? Wie schön war die Reise, wie schön besonders durch Ihre unverdiente Freundlich keit! Aber Trauer und Verdruss und trübe Erwartungen stoeren mir seit jenem unseligen Kriegstage alle Nachfreude der Erinnerung. Morgen wird es entschieden werden, ob BaselWIKIDATA Icon eine Belagerung wagt oder sich von den Radicalen Gesetze vorschreiben laest, ob wir eidgenössische Truppen einnehmen oder nicht. Beides ist schlimm, aber das Eine schlimmer, und ich fürchte, man werde gerade dazu sich entschliessen. Von RapperschwilWIKIDATA Icon aus gieng ich, weil das schlechte Wetter anhielt, wieder nach ZürichWIKIDATA Icon. Dort fanden sich auf der WasserkircheWIKIDATA Icon noch schöne Sachen vor, z. B. eine Logik u. Rhetorik aus dem Anfange des XI Jh. mit deutschen Bei spielen, und auch der Text halb deutsch halb lateinisch. Unter den Bei spielen auch deutsche Verse, dieselben die DocenGND Icon in Archivs Beiträgen Bd VII📖, aus virgilianischen Glossen zu MünchenWIKIDATA Icon bekannt gemacht hat. Besitzen Sie die Beitr. und dürfte ich Sie dann auf einige Tage darum bitten, um diesen und die folgenden Bände? Von Arau aus begab ich mich nach MuriWIKIDATA Icon; von da, weil nun endlich das Wetter schön war, und wie schön! auf den RigiWIKIDATA Icon. Da traf ich auch Herrn PupikoferGND Icon wieder an. Nach BeromünsterWIKIDATA Icon kam ich zu spät: StalderGND Icon war einige Stunden vorher begraben worden. Auch in S. UrbanWIKIDATA Icon bin ich gewesen. Die klösterliche Zucht ist da eben nicht gar strenge. Von GöttingenWIKIDATA Icon habe ich traurige Briefe. Dem Br. GrimmGND Icon ist eine SchwesterGND Icon gestorben. WilhelmGND Icon ist in WiesbadenWIKIDATA Icon. Verzeihen Sie mir geneigtest die schlechte Schrift und die Eilfertigkeit dieses Briefes, ich muss zum Appell u. dann wahrscheinlich auf die Wache. Aus dem Studieren wird in diesen Zeiten nicht viel. Darf ich Sie, schon des Altarbildes wegen, um eine recht baldige Antwort bitten. Empfehlen Sie mich Ihren werthen Hausgenossen bestens und erhalten Sie mir Ihr freundliches Wohlwollen, der ich bin, hochzuverehrender Herr Baron Ihr gehorsamst ergebener Wilh. Wackernagel. Quomodo sedes sola civitas plena populo? facta est quare redua domina gentinur.

Normalisierter Text

Basel 8/8/33. Hochwohlgeborener Herr, Hochzuverehrender Herr Baron! Das traurige Ereignis, das ich gleich nach meiner Rückkehr hier erlebte, die Unruhe und Verwirrung, in der sich alles befindet, hat es mir erst jetzt gestattet, Ihrem Befehl zu genügen und zur Wiederlangung des bewussten Altarbildes Schritte zu tun. Es steht in der Stadtgerichtsschreibung wohl aufgehoben da und wird mir, sobald ich es verlange, ausgeliefert werden. Es ist bloß ungewiss, ob vielleicht noch unerledigte Speditionskosten darauf haften: Ich soll Sie fragen, ob Sie sich erinnern, in welcher Art Sie es hergesendet haben, gleich auf Ihre oder auf der Verstorbenen Kosten? Es kommt ganz auf Ihr Gedächtnis an. Wie befehlen Sie nun, geehrtester Herr Baron, die Übersendung? Doch wohl mit einer Frachtfuhre? Zur Post würde es zu teuer sein. Und ich denke, den großen Querbalken, den ein Mann kaum erheben kann und auf dem nichts steht als ein Vers aus den Psalmen, brauche ich nicht mit einzupacken? Wie schön war die Reise, wie schön besonders durch Ihre unverdiente Freundlichkeit! Aber Trauer und Verdruss und trübe Erwartungen stören mir seit jenem unseligen Kriegstage alle Nachfreude der Erinnerung. Morgen wird es entschieden werden, ob Basel eine Belagerung wagt oder sich von den Radikalen Gesetze vorschreiben lässt, ob wir eidgenössische Truppen einnehmen oder nicht. Beides ist schlimm, aber das eine schlimmer, und ich fürchte, man werde gerade dazu sich entschließen. Von Rapperswil aus ging ich, weil das schlechte Wetter anhielt, wieder nach Zürich. Dort fanden sich auf der Wasserkirche noch schöne Sachen vor, z. B. eine Logik und Rhetorik aus dem Anfange des XI Jh. mit deutschen Beispielen, und auch der Text halb deutsch halb lateinisch. Unter den Beispielen auch deutsche Verse, dieselben die Docen in Archivs Beiträgen Bd VII, aus virgilianischen Glossen zu München bekannt gemacht hat. Besitzen Sie die Beitr. und dürfte ich Sie dann auf einige Tage darum bitten, um diesen und die folgenden Bände? Von Aarau aus begab ich mich nach Muri; von da, weil nun endlich das Wetter schön war, und wie schön! auf den Rigi. Da traf ich auch Herrn Pupikofer wieder an. Nach Beromünster kam ich zu spät: Stalder war einige Stunden vorher begraben worden. Auch in S. Urban bin ich gewesen. Die klösterliche Zucht ist da eben nicht gar strenge. Von Göttingen habe ich traurige Briefe. Dem Br. Grimm ist eine Schwester gestorben. Wilhelm ist in Wiesbaden. Verzeihen Sie mir geneigtest die schlechte Schrift und die Eilfertigkeit dieses Briefes, ich muss zum Appell und dann wahrscheinlich auf die Wache. Aus dem Studieren wird in diesen Zeiten nicht viel. Darf ich Sie, schon des Altarbildes wegen, um eine recht baldige Antwort bitten. Empfehlen Sie mich Ihren werten Hausgenossen bestens und erhalten Sie mir Ihr freundliches Wohlwollen, der ich bin, hochzuverehrender Herr Baron Ihr gehorsamst ergebener Wilh. Wackernagel. Quomodo sedes sola civitas plena populo? Facta est quare redua domina gentium.

Translation

Basel 8/8/33. Most Noble Sir, Highly Esteemed Mr. Baron! The sad event that I experienced immediately after my return here, the unrest and confusion in which everything finds itself, has only now allowed me to comply with your command and to take steps to recover the aforementioned altar piece. It is well preserved in the city's court records and will be delivered to me as soon as I demand it. It is just uncertain whether there are any pending shipping costs attached to it: I should ask you if you remember how you sent it here, whether on your own costs or those of the deceased? It all depends on your memory. How do you wish, most esteemed Mr. Baron, the transmission to be? Perhaps by freight wagon? Sending it by post would be too expensive. And I suppose I do not need to include the large crossbeam, which a man can hardly lift and on which nothing stands except a verse from the Psalms? How beautiful the journey was, especially made beautiful by your unmerited kindness! But sorrow and annoyance and bleak expectations have marred all the joyful memories of recollection since that ill-fated day of war. Tomorrow it will be decided whether Basel dares a siege or subjects itself to the laws imposed by the radicals, whether we accept federal troops or not. Both are bad, but one is worse, and I fear that it will be decided. From Rapperswil, since the bad weather persisted, I went back to Zurich. There on the Wasserkirche were still beautiful things to be found, such as a logic and rhetoric from the beginning of the 11th century with German examples, and also the text half in German half in Latin. Among the examples there were also German verses, the same ones that Docen made known in the Archive's Contributions Vol. VII from Virgilian glosses in Munich. Do you own the Contributions, and may I then ask you for them for a few days, for this and the following volumes? From Aarau I went to Muri; from there, as the weather finally became beautiful, and how beautiful! to the Rigi. There, I met Mr. Pupikofer again. I arrived in Beromünster too late: Stalder had been buried a few hours earlier. I also visited St. Urban. The monastic discipline there is not very strict. I have received sad letters from Göttingen. Mr. Grimm's sister has died. Wilhelm is in Wiesbaden. Please excuse the poor handwriting and the haste of this letter, I must go to the roll call and then probably to the watch. During these times, much studying cannot be done. May I ask you, already for the sake of the altar piece, for a very prompt reply. Please convey my best regards to your esteemed household members and maintain your kind goodwill towards me, as I am, Highly Esteemed Mr. Baron Your most obediently devoted Wilh. Wackernagel. Quomodo sedes sola civitas plena populo? facta est quare redua domina gentinur.