Basel 30. Augst 33.
Hochgeehrter
Herr Baron Gestern ist endlich die
Kiste mit den Bildern
abgegangen. ich hoffe es werde alles so ankommen, dass Sie zufrieden
sind. Den grossen centnerwichtigen Querbalken habe ich nicht mit schicken moegen: Kiste und
Fracht waeren dadurch unmässig vertheuert worden, und so viel ich sehen kann ist nichts
darauf gemahlt und geschrieben als ein Palmenvers. Die Kiste aber, in der die Bilder
hergekommen, ist leider nicht mehr vorhanden: sie scheint bei der Versteigerung
irgendwie mit
drein gegangen zu seyn. Mir scheint die neue nicht zu theuer. Um Eins bitte ich Sie,
verehrtester Herr Baron: lassen Sie Sich die Inscription auf dem Deckel ebenso
lustig vorkommen, als ich mich darüber geärgert habe. Solche Schrei berey ist mir
noch nicht vorgekommen, ich hatte in der Absicht, dass es recht schön werden sollte,
meinen
Hauswirth
als einen "Mahler in der Kunst wie auch in Leim farben" (
Baseler Wochenblättli) damit beauftragt: nun aber wollt ich ich hätte es
selber
geschrieben. Nun genug davon. Man ist hier jetzt, damit beschäftigt,
Basel
neu zu
constituiren. Die Abtrennung des Landes ist gestern anerkannt. Freylich war das dritte
Wort beiden betreffenden Verhandlungen des grossen Rathes immer: Wir thun es aber
aus Zwang, nur aus Zwang. Allein was hilft das? Wenn der Wolf die Schafe fort
hat, so prote stiert der Hirte zu spät.
Reigoldswyl
und
Gelterkinden
moegen nun schon wie sie mit ihren Würgern und Wütherichen fertig
werden. Das
nächste was nun geschieht ist: die bestehende Regierung von
Basel
Stadttheil
wird, je
nachdem das souveraine Volk entscheidet, provisorisch erklärt oder von einer neu erwählten
abgelöst. Sodann Entwerfung und Berathung einer neuen Constitution. Natürlich, damit keine Majorität
die Minorität einschüchtere, alles das unterm Schutze der eidgenössischen Waffen. Die ganze
Betrachtung der
Basel
er
Angelegenheiten kommt auf die eine Frage zurück: War es weise auf den Hilfruf der
Reigoldswyler
zu hören? und dem stürmischen Verlangen der Stadtbürger, die den
Auszug forderten, nach zugeben. Da die Unternehmung ausser allem Zusammenhang mit
dem Vorfalle in
Küssnacht
war (davon muss jeder überzeugt sein, der sie hat werden sehen),
Basel
also keines Rückhaltes, keiner schnellen Unterstützung von Seiten
der s. g. Reactionspartey gewiss seyn durfte, so beantwortet jene Frage sich von selbst.
Die Stadt
mochte nun gewinnen oder nicht (das letztere aber wird bei einem Kam pfe
gegen guerillas immer wahrscheinlicher seyn, noch dazu wenn der Chef gegen Willen und
Einsicht die Truppen hinausführt), gegen die Eidgenossen war die Sache auf beiden
Seiten verloren. Was seit dem 3. August geschah und ge schieht, sind
lauter unvermeidliche Folgen. Freylich hätte man mindestens ehren hafter fallen
sollen. Da hatten die
Berlin
er im J.
13. andern Muth, als die
Franzosen
zwey
Meilen davon standen und Brand und Plünderung und den
Marschall Ney
als neuen Koenig bringen wollten. Und das war
Berlin
mit seinen schnell gegrabenen Schanzen, und das waren
Franzosen! Denn was hat
Basel
mit der
friedlichen dienstwilligen Übergabe gewonnen. Höchstens ein gutes
freundliches Bennehmen von Seiten der eingerückten Truppen, und günstige
Berichte der eidgenössischen Commissarien. Dies Tagsatzung aber handelt nicht
anders als hätte sie
Basel
mit der
Schärfe des Schwertes erobert, und die Berichte der Commissarien nennt sie
kurzweg parteyisch. Hätte sich
Basel
gewehrt:
jene Truppen sind so, dass sie vielleicht vor langer Weile auseinander
gelaufen wären; jedesfalls aber, wüsste man dann eher, wa rum die
Tagsatzung sich als Siegerin und
Basel
als eine
Verbrecherinn be trachtet. Die
Neuenburger
haben ihre Lostrennung von der Eidgenossenschaft beschlossen
und warten nur
noch auf die Ratification des
Koenigs
.
ich fürchte er verweigert sie. Gaebe er sie, so könnte das vielleicht eine fremde
Intervention herbeiführen. Ein schlechtes Mittel, aber doch wohl das einzige, um die
Schweiz
wieder in das rechte Gleis zu bringen. Ohne diess ist kein gutes Ende abzuschen.
Denn welche Tage wird es geben, wenn die guten
Schweiz
er zuletzt inne werden, dass sie an den radi calen
Stimmführern nur eine neue Oligarchie gewonnen haben, boeser und gefähr licher als irgend eine der alten
Aristokratien? All diess Unglück trifft auch mich nicht
gelinde. Schon seit langer Zeit hat man hier aus finanziellen und
pietistischen Rücksichten die Aufhebung der Universität gewünscht. Jetzt
wird das Verlangen dringender und begründeter. Denn die Stadt verarmt, zudem
verlangen die Landschafter bei der allgemeinen Theilung der Staats güter auch die des Vermögens der Universität.
Kurz sie wird nun wohl unter gehen. In diesem einen Fall mag man
nichts vom Festhalten am Historischen wissen, und dass es Ehrensache wäre, den
Zürchern
nicht auch noch diesen Tri umph zu gönnen,
daran denkt man nicht. Bloss des Pädagogiums wegen bin ich aber
nicht hieher gegangen. Verzeihen Sie, geehrtester Herr Baron, dass ich Sie soviel
von Baslerischen und eigenen Angelegenheiten unterhalte oder auch nicht
unterhalte. Aber Sie haben wie derholentlich mir selbst und in dem neulichen
schönen Brief auch der guten Stadt
Basel
so viele
Theilnahme bewiesen, dass ich mich damit entschuldigt glaube. Ihr Rath, bei
den Musen Trost für die Unbilden der Zeit zu suchen, würde sich bewähren
wenn ich mich einschliessen könnte und ausserdem die Ohren verstopfen; aber
die eidgenössische Musik rasselt zu oft bei mir vorüber, und man kann
keinen Schritt auf die Strasse thun, ohne durch bunte Röcke an das
Elend erinnert zu werden, mit keinem Freunde sprechen ohne gleich
davon und nur davon reden zu hören. Wer kann da die rechte Freude Ruhe und Sammlung gewinnen? ich studiere so
viel ich muss, für Universität u. Pädagogium. Ausserdem beschäftigen mich die
Handschriften aus
Muri
und
Zürich
, wo es zum Glück nicht viel mehr zu thun giebt als abzuschreiben. Sie
wollen so gütig sein und mir den VII und IX Band von des
Fr. v. Aretin
Beiträgen📖 dennoch beschaffen? ich nehme es mit Dank an: die Aufsätze
von
Docen
sind mir für die rechte Nutzung der Zürcher Manuscripte
unentbehrlich. Herrn
Neukirchs
Hs. ist der
Colmarer Codex, soviel ich
aus dem was er sagt abneh men kann; er hat ihn auch aus dem
Pfeffelschen
Hause, ich glaube durch Heirath,
überkommen. Aber ihn zu zeigen, daran will er immer noch nicht. Es ist als
fürchte er dann zur Herausgabe bewogen zu werden. Basler Buch händler
unternehmen nichts. Man muss halt abwarten; genug dass er nicht aus der Welt
ist. Meine
Studenten haben sich über
Eggen
und
Sigenot📖
sehr gefreut: ich soll ih ren besten und ergebensten Dank ausrichten. Die
Leute machen mich durch ihren Eifer und ihrem Sinn für alte Poesie ganz glücklich.
Auch das wird aufhören, wenn die Univ. eingeht und die Leute anderswo etwas müssen zu lernen suchen.
Bald wieder
einige Zeilen von Ihnen, das würde mir troestlich seyn. Gewähren Sie die Bitte
und bleiben Sie freundlich gewogen. Ihrem ergebensten Wilh.
Wackernagel.