Brief von Joseph von Laßberg an Wilhelm Wackernagel (21.03.1834).

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Metadata

Signatur: Basel, Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt,

Registernummer (Laßberg): 56

Registernummer (Harris): 862

Gedruck in: Wackernagel: Albert Leitzmann, Briefe aus dem Nachlaß Wilhelm Wackernagels. VI.: Briefe von Joseph von Laßberg. In: Abhandlungen der phil.-hist. Klasse der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 34,1. Leipzig 1916, S. 92-130, S. 101

Original Text

Eppishausen 21 Maerz 1834. Wolgeborner! Verertester Herr Professor! Als ich gestern abend Ir Schreiben vom 16 dieses erhielt, freute ich mich, daß ich doch auch einmal etwas habe, was sie zu Iren arbeiten brauchen können; diesen morgen aber, da ich die verlangten bücher zusamen suchte, finde ich, daß meine freude nicht ganz ist; denn Oetters Ausgabe📖 von Bruder Werners Maria gedicht auf die Maria, will sich trotz alles nachsuchens nicht finden; ich habe auf das buch irgendwohin geliehen und weiß jetzt gerade nicht wem? aber der Joh. Caspar Au relius TygurinusGND Icon kann es Inen von der wasserkircheWIKIDATA Icon hergeben, wo es sich befindet, auch besizt der nunmerige buchhändler Dr. A. A. FollenGND Icon zu ZürichWIKIDATA Icon ein exemplar desselben. Ein Lesebuch der altdeutschen Literatur📖, als Schulbuch, gehörte längst unter die Bücher, die ich gerne ans licht treten sähe, und ich bin ganz vergnügt darüber, daß diese arbeit in so gute hände gefallen ist. Nun lassen Sie den pressbengel ia recht unmüssig gehen, damit wir es bald zu schon bekommen. daß Sie auch ungedruktes aufnemen, ist auch ser gut. möchten Sie etwas aus dem Frauendienst📖 des Ul. v. LichtensteinGND Icon haben; so wollte ich Inen etwas hübsches aus meinem apographum aussuchen. auch wünschte ich das schöne lied des schenken Conrad von BikenbachGND Icon, in dem mir H. v. der HagenGND Icon im III. bande seiner Minnesinger📖, einen ganzen vers hat ausfallen lassen, und das noch in die beste zeit des Minnesanges gehöret, auch darin zu lesen. Ich finde vielleicht auch sonst in meinen collectaneen noch einiges ungedruktes, wenn es Inen willkommen ist. da Sie die bücher nur auf ganz kurze zeit verlangen; so dachte ich geratener zu sein, daß ich Inen mein gebundenes exemplar des liedersaales📖 sende, damit Sie es sogleich benutzen können; später kann dann ia auch zu einem ungebundenen rat werden. Reinhart Fuchs📖 war von einem zu lieben Briefe meines guten Jacob GrimmGND Icon begleitet und daher doppelt willkommen. mich däucht das ein gutes und tüchtiges stük arbeit; es wird aber denke ich, noch einiges darüber gesprochen werden. auch der alte BeneckeGND Icon hat mir sein treffliches wörterbuch zum Iwain gesendet. welch ein reichtum von literatur und gesunder Kritik. mit herzlicher Freude las ich in Irem briefe, daß die Biblio theca BasileensisWIKIDATA Icon unteilbar geblieben ist; ich hoffe daß die alte gute stadt BaselWIKIDATA Icon eben so wenig ire gute alte universität aufgeben wird. Nach und nach kömmt alles noch besser, als man im Anfange gehofft hat. Die eifersucht zwischen RomWIKIDATA Icon und CarthagoWIKIDATA Icon, oder wenn die lieber wollen: AthenWIKIDATA Icon und SpartaWIKIDATA Icon; kann vielleicht noch mer gutes zu wege bringen, als man meinet. Nil desperandum! die nächste tagsazung wird vieles entscheiden! ich muss eilen; denn der bote gehet noch vor mittage auf die post. haben Sie die güte mir den empfang der bücher nur mit einem par zeilen an zu zeigen. damit ich wegen der ser unordentlichen Thurgauischen posten beruhiget werde. Ir lezter brief kam einen ganzen post tag hinter dem Reinhart📖 her gelauffen. Ich stehe gegenwärtig im handel um einen ser schönen carolingischen Codex. derselbe hat dem Kaiser Ludwig dem frommenGND Icon gehört, und war vielleicht gar ein erbstük von seinem Vater Carl dam großenGND Icon; kostbarer und prachtvoller ist mir noch keiner vorgekommen. Nun leben Sie mal, gott befolen von Irem ergebensten JvLaßzberg Eppishausen am 21. März 1834. Sagen Sie mir, wenn ichs wissen darf? ob Sie nicht lust hätten an die neue hochschule nach BernWIKIDATA Icon zu gehen? Ich habe einige bekannte da, die Inen hiebei vielleicht nüzlich sein könnten. Wenn Inen muster aus dem ende des XIV und aus dem XV Jarh: mangeln; so könnte ich Inen aus dem liederbuche der Häzlerin📖 /:450 Seiten in folio:/ das ich aus dem Berliner codex apograph: abgeschrieben habe, mit teilen.

Normalisierter Text

Eppishausen, 21. März 1834. Wohlgeborener! Verehrtester Herr Professor! Als ich gestern Abend Ihr Schreiben vom 16. dieses Monats erhielt, freute ich mich, dass ich doch auch einmal etwas habe, was Sie zu Ihren Arbeiten brauchen können; diesen Morgen aber, da ich die verlangten Bücher zusammensuchte, finde ich, dass meine Freude nicht ganz ist; denn Oetters Ausgabe von Bruder Werners Gedicht auf die Maria will sich trotz allen Nachsuchens nicht finden; ich habe das Buch irgendwohin geliehen und weiß jetzt gerade nicht wem? Aber der Joh. Caspar Aurelius Tygurinus kann es Ihnen von der Wasserkirche hergeben, wo es sich befindet, auch besitzt der nunmehrige Buchhändler Dr. A. A. Follen zu Zürich ein Exemplar desselben. Ein Lesebuch der altdeutschen Literatur, als Schulbuch, gehörte längst unter die Bücher, die ich gerne ans Licht treten sähe, und ich bin ganz vergnügt darüber, dass diese Arbeit in so gute Hände gefallen ist. Nun lassen Sie den Pressbengal ja recht unmüssig gehen, damit wir es bald zu sehen bekommen. Dass Sie auch Ungedrucktes aufnehmen, ist auch sehr gut. Möchten Sie etwas aus dem Frauendienst des Ul. v. Lichtenstein haben; so wollte ich Ihnen etwas Hübsches aus meinem Apographum aussuchen. Auch wünschte ich das schöne Lied des Schenken Conrad von Bikenbach, in dem mir H. v. der Hagen im III. Band seiner Minnesänger, einen ganzen Vers hat ausfallen lassen, und das noch in die beste Zeit des Minnesanges gehört, auch darin zu lesen. Ich finde vielleicht auch sonst in meinen Collectaneen noch einiges Ungedrucktes, wenn es Ihnen willkommen ist. Da Sie die Bücher nur auf ganz kurze Zeit verlangen; so dachte ich geratener zu sein, dass ich Ihnen mein gebundenes Exemplar des Liedersaales sende, damit Sie es sogleich benutzen können; später kann dann ja auch zu einem ungebundenen Rat werden. Reinhart Fuchs war von einem zu lieben Briefe meines guten Jacob Grimm begleitet und daher doppelt willkommen. Mich dünkt das ein gutes und tüchtiges Stück Arbeit; es wird aber, denke ich, noch einiges darüber gesprochen werden. Auch der alte Benecke hat mir sein treffliches Wörterbuch zum Iwain gesendet. Welch ein Reichtum von Literatur und gesunder Kritik. Mit herzlicher Freude las ich in Ihrem Briefe, dass die Bibliotheca Basileensis unteilbar geblieben ist; ich hoffe, dass die alte gute Stadt Basel ebenso wenig ihre gute alte Universität aufgeben wird. Nach und nach kommt alles noch besser, als man im Anfange gehofft hat. Die Eifersucht zwischen Rom und Karthago, oder wenn Sie lieber wollen: Athen und Sparta; kann vielleicht noch mehr Gutes zu Wege bringen, als man meint. Nil desperandum! Die nächste Tagsatzung wird vieles entscheiden! Ich muss eilen; denn der Bote geht noch vor Mittag auf die Post. Haben Sie die Güte, mir den Empfang der Bücher nur mit ein paar Zeilen anzuzeigen, damit ich wegen der sehr unordentlichen Thurgauischen Posten beruhigt werde. Ihr letzter Brief kam einen ganzen Posttag hinter dem Reinhart hergelaufen. Ich stehe gegenwärtig im Handel um einen sehr schönen karolingischen Codex. Derselbe hat dem Kaiser Ludwig dem Frommen gehört, und war vielleicht gar ein Erbstück von seinem Vater Karl dem Großen; kostbarer und prachtvoller ist mir noch keiner vorgekommen. Nun leben Sie wohl, Gott befohlen von Ihrem ergebensten Julius Eppishausen am 21. März 1834. Sagen Sie mir, wenn ich’s wissen darf? Ob Sie nicht Lust hätten, an die neue Hochschule nach Bern zu gehen? Ich habe einige Bekannte da, die Ihnen hierbei vielleicht nützlich sein könnten. Wenn Ihnen Muster aus dem Ende des XIV und aus dem XV Jahrh[undert] fehlen; so könnte ich Ihnen aus dem Liederbuch der Häzlerin (450 Seiten in Folio), das ich aus dem Berliner Codex abgeschrieben habe, mitteilen.

Translation

Eppishausen, March 21, 1834. Most Noble! Esteemed Mr. Professor! When I received your letter from the 16th yesterday evening, I was pleased that I finally have something which you can use for your work; however, this morning, when I searched for the requested books, I found that my joy was not complete; for Oetter's edition of Brother Werner's poem about Mary cannot be found, despite all searches; I have lent the book somewhere and now do not know to whom? but Joh. Caspar Aurelius Tygurinus can provide it to you from Wasserkirche, where it is located, also the current bookseller Dr. A. A. Follen in Zurich owns a copy of it. A reading book of Old German literature, as a schoolbook, has long belonged among the books I would like to see come to light, and I am quite pleased that this work has fallen into such good hands. Now let the pressman go about it with great diligence, so that we can get it soon. That you also include unpublished works is very good. Should you wish for something from the Frauendienst of Ul. v. Lichtenstein, I would like to select something nice from my transcript for you. I would also wish for the beautiful song of the innkeeper Conrad von Bikenbach, in which Mr. v. der Hagen omitted an entire verse in the third volume of his Minnesingers, and which still belongs to the best period of Minnesang, also to be read therein. Perhaps I also find some other unpublished items in my collectanea, if it is welcome to you. As you request the books for only a very short time; I thought it advisable to send you my bound copy of the Liedersaal, so that you can use it immediately; later, it can be converted to an unbound one. Reinhart Fuchs was accompanied by a very nice letter from my good Jacob Grimm and was therefore doubly welcome. I find it a good and solid piece of work; but I think, much remains to be discussed about it. The old Benecke also sent me his excellent dictionary for Iwain. What a wealth of literature and sound criticism. With heartfelt joy, I read in your letter that the Bibliotheca Basileensis has remained undivided; I hope that the old good city of Basel will just as little abandon its good old university. Gradually, everything comes better than one initially hoped. The jealousy between Rome and Carthage, or if you prefer: Athens and Sparta; may perhaps bring about more good than one thinks. Nil desperandum! The next diet will decide much! I must hurry; for the messenger departs for the post before noon. Please do me the favor of acknowledging receipt of the books with just a few lines, so that I am reassured regarding the very disorderly Thurgau post. Your last letter came a full post day behind the Reinhart. I am currently negotiating for a very beautiful Carolingian Codex. It belonged to Emperor Louis the Pious, and perhaps it was even an heirloom from his father Charlemagne the Great; a more precious and splendid one has not come across to me yet. Now live well, entrusted to God, from Your devoted JvLaßzberg Eppishausen on March 21, 1834. Tell me, if I may know? whether you would be interested in going to the new university in Bern? I have some acquaintances there who could be of assistance to you in this. If you are lacking samples from the end of the 14th and the 15th century: I could share from the songbook of Häzlerin /:450 pages in folio:/ which I have transcribed from the Berlin codex.