Eppishausen 21
Maerz 1834. Wolgeborner! Verertester Herr Professor! Als ich gestern abend Ir Schreiben vom 16 dieses erhielt,
freute ich mich, daß ich doch auch einmal etwas habe, was sie zu Iren arbeiten
brauchen können; diesen morgen aber, da ich die verlangten
bücher zusamen suchte, finde ich, daß meine freude nicht ganz
ist; denn
Oetters
Ausgabe📖 von
Bruder
Werners Maria gedicht auf die Maria, will sich trotz alles nachsuchens nicht finden;
ich habe auf das buch irgendwohin geliehen und weiß jetzt
gerade nicht wem? aber der
Joh. Caspar
Au relius Tygurinus
kann es Inen von der
wasserkirche
hergeben, wo
es sich befindet, auch besizt der nunmerige buchhändler Dr.
A. A. Follen
zu
Zürich
ein
exemplar desselben. Ein
Lesebuch der
altdeutschen Literatur📖, als Schulbuch, gehörte längst unter die
Bücher, die ich gerne ans licht treten sähe, und ich bin ganz
vergnügt darüber, daß diese arbeit in so gute hände gefallen
ist. Nun lassen Sie den pressbengel ia recht unmüssig gehen,
damit wir es bald zu schon bekommen. daß Sie auch ungedruktes aufnemen, ist auch ser
gut. möchten Sie etwas aus dem
Frauendienst📖 des
Ul. v.
Lichtenstein
haben; so wollte ich Inen etwas hübsches aus meinem apographum
aussuchen. auch wünschte ich das schöne
lied des
schenken
Conrad von
Bikenbach
, in dem mir
H. v. der
Hagen
im
III. bande
seiner Minnesinger📖, einen ganzen vers hat ausfallen lassen, und das noch in die beste zeit des Minnesanges gehöret,
auch darin zu lesen. Ich finde vielleicht auch sonst in meinen collectaneen noch
einiges ungedruktes, wenn es Inen willkommen ist. da Sie die bücher nur auf ganz kurze
zeit verlangen; so dachte ich geratener zu sein, daß ich Inen
mein
gebundenes exemplar des
liedersaales📖 sende, damit Sie es sogleich benutzen können; später kann
dann ia auch zu
einem ungebundenen rat werden.
Reinhart
Fuchs📖 war von einem zu lieben Briefe meines guten
Jacob Grimm
begleitet und daher doppelt willkommen. mich däucht das ein gutes
und tüchtiges stük arbeit; es wird aber denke ich, noch einiges
darüber gesprochen werden. auch der alte
Benecke
hat mir sein
treffliches
wörterbuch
zum Iwain gesendet. welch ein reichtum von literatur und gesunder Kritik. mit herzlicher
Freude las ich in Irem briefe, daß die Biblio theca
Basileensis
unteilbar geblieben ist; ich hoffe daß die alte gute stadt
Basel
eben so wenig ire gute alte universität aufgeben wird. Nach und
nach kömmt alles noch besser, als man im Anfange gehofft hat. Die eifersucht zwischen
Rom
und
Carthago
, oder wenn die lieber wollen:
Athen
und
Sparta
; kann vielleicht noch
mer gutes zu wege bringen, als man meinet. Nil desperandum!
die nächste tagsazung wird vieles entscheiden! ich muss eilen;
denn der bote gehet noch vor mittage auf die post. haben Sie die güte mir den empfang
der bücher
nur mit einem par zeilen an zu zeigen. damit ich wegen der ser
unordentlichen Thurgauischen posten beruhiget werde. Ir lezter
brief kam einen ganzen post tag hinter dem
Reinhart📖
her gelauffen. Ich stehe gegenwärtig im handel um einen ser
schönen carolingischen Codex. derselbe hat dem Kaiser
Ludwig dem frommen
gehört, und war vielleicht gar ein erbstük von seinem Vater
Carl dam großen
; kostbarer und prachtvoller ist mir noch keiner vorgekommen.
Nun leben Sie
mal, gott befolen von Irem ergebensten JvLaßzberg Eppishausen am 21. März 1834. Sagen Sie mir,
wenn ichs wissen darf? ob Sie nicht lust hätten an die neue hochschule nach
Bern
zu gehen?
Ich habe
einige bekannte da, die Inen hiebei vielleicht nüzlich sein
könnten. Wenn Inen muster aus dem ende des XIV und aus dem XV Jarh: mangeln; so
könnte ich Inen aus dem
liederbuche
der Häzlerin📖 /:450 Seiten in folio:/ das ich aus dem
Berliner codex apograph: abgeschrieben habe, mit teilen.