Brief von Wilhelm Wackernagel an Joseph von Laßberg (23.06.1834).

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Metadata

Signatur: Freiburg i.Br., Universitätsbibliothek, Autograph Nr. 380

Registernummer (Laßberg):

Registernummer (Harris): 2504

Gedruck in:

Original Text

erhalten am 26 Juny 1834. am 29 Juny habe ich Im Hagens dichterleben 4to📖 und Gabriel: Montavel📖 in folio gesendet. Basel 23. Juny 34.Hochverehrter Herr Baron, wenn ich einen Briefsteller schreiben wollte, so könnte ich jezt die schoensten studien machen für das Capitel von den Danksagungen: Sie geben mir dazu von Woche zu Woche immer neuen Anlaß. Die letzte sechsfache Sendung habe ich zu meiner großen Freude erhalten Marien Klage📖 war mir noch von der Pfälzer Handschrift her in ange nehmer Erinnerung. Amor die lieb📖 hätte ich nach Sprache und Reim älter angeschlagen, als es dort ist (1492). Der h. Ulrich📖 hat ver wunderliche Alterthümlichkeiten. Alles ist mir höchst willkommen! Es waere eine Unschicklichkeit, wenn ich Ihnen unbequem machen wollte, um es nur selber bequem zu haben: wenn ich sie mit dem Ausziehen beschwerte. Auch ohne das ist die Güte gross genug. Nur ein Übelstand ist dabei: gern hätte ich noch vor Ihrer Abreise die sendung zurückwandern lassen, wenn mir nur Pädagogium und Universität (ich lese historische syntax) und die mühselige correctur der ersten Bogen Zeit ließen, jezt Zeit liessen, für die spaeteren zu copieren. Da muss ich nun auch noch Ihre Geduld in Anspruch nehmen. Erst in einigen Wochen kommt die Ruhezeit, die ich mir zu einer Arbeitzeit machen kann, die gesegneten Ferien. ich weiss nicht ob ich die geistl. Arzney u. den Fastnachtskrapfen📖 behalten darf oder zurückschicken soll? Sie wollen mir, damit ich doch auch etwas von Ihrer schoenen Reise habe, während der Zeit die hagenschen Dichterleben📖 anvertrauen: mir würde in der That damit der groeßte Gefalle geschehen: ich besitze nur die ersten zehn Bogen, und doch wurden mir die übrigen für mein Buch in chronologischer Beziehung nicht ohne Nutzern seyn; zudem wäre ich auf Nitharts📖 Leben neugierig, ob es das von mir einmahl verfasste ist und wie es mir woll jezt noch gefällt. Dass Hr. vdHGND Icon. es versteht, sich die Mühe klein zu maden und Buch und Honorar desto groesser, ist an ihm freylich nicht neu; aber das mit dem LiechtensteinGND Icon geht doch über meinen besten Glauben hinaus. Wenn Sie dann zu den Minnesängern noch den Gabr. v. Montavel📖 legen wollten (Ihre Auszüge enthalten nur den Anfang, nicht auch das gleichfalls verheissene Ende), so würde sie Ihre Güte, wenn ich so sagen könnte, als vollendet be trachten. In OrelliGND Icon habe ich mich wieder finden gelernt. Ich glaube in der Hat, er hat die landschaftliche Wahl im besten Willen gegen uns angenommen (politische Parteyung kennt er wohl nur in so fern, als es ihm für die Zürcherische Ge Lehrsamkeit erspriesslich scheint), besonders aber aus Freude an vielen Bü chern und litterar. Entdeckungen. Mit dem hohen Taxieren hat er seit her etwas nachgelassen; zudem ist auch diese Schätzung nicht die definitive. ich habe ernsthaft und ruhig mit ihm über diese Angelegenheit gesprochen: da erklärte er es für schändlich und thoericht, es dahin zu bringen, dass die Bibliothek wegen zu hoher Veranschlagung müßte versteigert werden. Wenn er nur kein Bibliothecar waere, sondern ein Antiquar! Was meinen Sie zu der Taxe der Kunstsammlung? Die Experten der Stadt haben sie auf 16000. Fr., die der Landschaft auf 110000. geschätzt. Eins so unverschaemt als das andre. Und es kostet nur neue Directen für neue Experten. Und nun meine besten und herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Reise: Gesundheit und Fröhlichkeit während der Zeit und nachher, und litterarische und artistische Fünde, so viel der Wagen nur fassen mag. Und wenn sie nach GöttingenWIKIDATA Icon, kommen, so denken sie meiner bei BeneckeGND Icon und den Br. GrimmGND Icon und bestellen sie meine angelegentlichsten Grüße und Empfehlungen. Gern hätte ich Sie auch gebeten einen Brief mitzunehmen, wenn ich nur dazu kommen könnte, einen zu schreiben. Wenn Sie wollen, so erzählen sie von meinem altd. Lesebuch: noch weiss man dort niechts davon; ich würde, wenn erst mehr gedruckt wäre, Probeoegen schicken. Schoen waere es, wenn mir Wilh. Gr.GND Icon den Freydank📖 zusammen ließe: vielleicht traefe er noch vor Thorschluss ein; ohne dies muss ich mit dem Müller schen Text vorlieb nehmen. Noch einmahl, leben Sie recht wohl! Mein aufrichtiger Dank und meine besten Wünsche begleiten sie. Bleiben Sie mir geneigt. Von Herzen Ihr ergebenster Wilh. Wackernagel

Normalisierter Text

erhalten am 26. Juni 1834. Basel, 23. Juni 34. am 29. Juni habe ich Im Hagens Dichterleben 4to und Gabriel: Montavel in folio gesendet. Hochverehrter Herr Baron, wenn ich einen Briefsteller schreiben wollte, so könnte ich jetzt die schönsten Studien machen für das Kapitel von den Danksagungen: Sie geben mir dazu von Woche zu Woche immer neuen Anlass. Die letzte sechsfache Sendung habe ich zu meiner großen Freude erhalten. Marien Klage war mir noch von der Pfälzer Handschrift her in angenehmer Erinnerung. Amor die lieb hätte ich nach Sprache und Reim älter angeschlagen, als es dort ist (1492). Der h. Ulrich hat verwunderliche Altertümlichkeiten. Alles ist mir höchst willkommen! Es wäre eine Unschicklichkeit, wenn ich Ihnen unbequem machen wollte, um es nur selber bequem zu haben: wenn ich Sie mit dem Ausziehen beschwerte. Auch ohne das ist die Güte groß genug. Nur ein Übelstand ist dabei: gern hätte ich noch vor Ihrer Abreise die Sendung zurückwandern lassen, wenn mir nur Pädagogium und Universität (ich lese historische Syntax) und die mühselige Korrektur der ersten Bogen Zeit ließen, jetzt Zeit ließen, für die späteren zu kopieren. Da muss ich nun auch noch Ihre Geduld in Anspruch nehmen. Erst in einigen Wochen kommt die Ruhezeit, die ich mir zu einer Arbeitszeit machen kann, die gesegneten Ferien. ich weiß nicht, ob ich die geistl. Arzney u. den Fastnachtskrapfen behalten darf oder zurückschicken soll? Sie wollen mir, damit ich doch auch etwas von Ihrer schönen Reise habe, während der Zeit die hagenschen Dichterleben anvertrauen: mir würde in der Tat damit der größte Gefallen geschehen: ich besitze nur die ersten zehn Bogen, und doch würden mir die übrigen für mein Buch in chronologischer Beziehung nicht ohne Nutzen sein; zudem wäre ich auf Nitharts Leben neugierig, ob es das von mir einmal verfasste ist und wie es mir wohl jetzt noch gefällt. Dass Hr. vdH. es versteht, sich die Mühe klein zu machen und Buch und Honorar desto größer, ist an ihm freilich nicht neu; aber das mit dem Liechtenstein geht doch über meinen besten Glauben hinaus. Wenn Sie dann zu den Minnesängern noch den Gabr. v. Montavel legen wollten (Ihre Auszüge enthalten nur den Anfang, nicht auch das gleichfalls verheißene Ende), so würde Sie Ihre Güte, wenn ich so sagen könnte, als vollendet betrachten. In Orelli habe ich mich wiederfinden gelernt. Ich glaube in der Hat, er hat die landschaftliche Wahl im besten Willen gegen uns angenommen (politische Parteiung kennt er wohl nur insofern, als es ihm für die Zürcherische Gelehrsamkeit ersprießlich scheint), besonders aber aus Freude an vielen Büchern und literar. Entdeckungen. Mit dem hohen Taxieren hat er seither etwas nachgelassen; zudem ist auch diese Schätzung nicht die definitive. ich habe ernsthaft und ruhig mit ihm über diese Angelegenheit gesprochen: da erklärte er es für schändlich und töricht, es dahin zu bringen, dass die Bibliothek wegen zu hoher Veranschlagung versteigert werden müsste. Wenn er nur kein Bibliothekar wäre, sondern ein Antiquar! Was meinen Sie zu der Taxe der Kunstsammlung? Die Experten der Stadt haben sie auf 16000 Fr., die der Landschaft auf 110000 geschätzt. Eins so unverschämt als das andere. Und es kostet nur neue Direktiven für neue Experten. Und nun meine besten und herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Reise: Gesundheit und Fröhlichkeit während der Zeit und nachher, und literarische und artistische Funde, so viel der Wagen nur fassen mag. Und wenn Sie nach Göttingen kommen, so denken Sie meiner bei Benecke und den Br. Grimm und bestellen Sie meine angelegentlichsten Grüße und Empfehlungen. Gern hätte ich Sie auch gebeten, einen Brief mitzunehmen, wenn ich nur dazu kommen könnte, einen zu schreiben. Wenn Sie wollen, so erzählen Sie von meinem altd. Lesebuch: noch weiß man dort nichts davon; ich würde, wenn erst mehr gedruckt wäre, Probedrucke schicken. Schön wäre es, wenn mir Wilh. Gr. den Freydank zusammen ließe: vielleicht träfe er noch vor Torschluss ein; ohne dies muss ich mit dem Müllerschen Text vorliebnehmen. Noch einmal, leben Sie recht wohl! Mein aufrichtiger Dank und meine besten Wünsche begleiten Sie. Bleiben Sie mir geneigt. Von Herzen Ihr ergebenster Wilh. Wackernagel

Translation

Received on June 26, 1834. Basel, June 23, 1834. On June 29, I sent 'In Hagens Dichterleben' 4to and Gabriel: Montavel in folio. Highly esteemed Mr. Baron, If I wanted to write a letter writer, I could now make the most beautiful studies for the chapter on gratitude: you keep giving me new reasons for it every week. I received the last sixfold shipment to my great delight. 'Marien Klage' was still pleasantly remembered from the Palatinate manuscript. I would have considered 'Amor die lieb' to be older in language and rhyme than it is marked there (1492). St. Ulrich has amazing antiquities. Everything is most welcome to me! It would be inappropriate if I wanted to make it inconvenient for you just to make it convenient for myself: if I burdened you with the excerpts. Even without it, the kindness is more than sufficient. There is only one drawback: I would have liked to send the shipment back before your departure, but the Pedagogium and the University (I am reading historical syntax) and the tedious correction of the first sheets take too much time, leaving none for copying later ones. Thus, I must also call upon your patience. Only in a few weeks arrives the quiet time which I can turn into a working time—the blessed holidays. I do not know whether I may keep the spiritual medicine and the carnival fritter or if I should return them? You wish, so I may at least partake somewhat in your lovely journey during this time, to confide 'Hagens Dichterleben' in me: in fact, that would be the greatest favor done to me: I only possess the first ten sheets, yet the remaining ones would not be without use for my book in chronological relation; besides, I am curious about Nithart's life, whether it is the one I once wrote, and how it would please me now. That Mr. vdH. knows how to make himself little effort and the book and honorarium all the greater, is indeed nothing new about him; but the matter with Liechtenstein goes beyond my best belief. If you would then want to add Gabriel v. Montavel to the Minnesingers (your excerpts only contain the beginning, not the also promised end), I would consider your kindness, if I could say so, as completed. In Orelli, I have learned to find myself again. I believe that he has taken the choice of the landscape in the best of intentions against us (he only recognizes political partisanship insofar as it seems beneficial to him for Zurich's scholarship), but especially out of joy for many books and literary discoveries. Since then, he has somewhat relented with the high taxation; moreover, this estimate is not the definitive one. I have spoken seriously and calmly with him about this matter: he declared it disgraceful and foolish to bring it to the point where the library would have to be sold due to overvaluation. If only he were not a librarian but an antiquarian! What do you think about the valuation of the art collection? The city's experts estimated it at 16,000 Fr., and those of the landscape at 110,000. One as impertinent as the other. And it only incurs new directors for new experts. And now my best and warmest congratulations on your journey: health and happiness during the time and afterward, and literary and artistic finds as many as the carriage can hold. And when you come to Göttingen, remember me with Benecke and the Br. Grimm and convey my most heartfelt greetings and recommendations. I would have gladly asked you to take a letter with you if I could only get around to writing one. If you like, tell them about my old German reading book: they still know nothing of it there; I would, once more is printed, send sample sheets. It would be nice if Wilh. Gr. would let Freydank come together with me: perhaps it would still arrive before the gate closes; without it, I must be content with the Müller text. Once more, fare you well! My sincere thanks and best wishes accompany you. Remain favorably inclined to me. From the heart, your most devoted Wilh. Wackernagel