Brief von Joseph von Laßberg an Wilhelm Wackernagel (27.06.1834).

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Metadata

Signatur: Basel, Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt,

Registernummer (Laßberg): 112

Registernummer (Harris): 869

Gedruck in: Wackernagel: Albert Leitzmann, Briefe aus dem Nachlaß Wilhelm Wackernagels. VI.: Briefe von Joseph von Laßberg. In: Abhandlungen der phil.-hist. Klasse der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 34,1. Leipzig 1916, S. 92-130, S. 108

Original Text

Eppishaus am 27. Juny 1834. Hochzuvererender Herr Professor! Mit Freude habe ich gestern abend gelesen, daß meine lezte Sendung Inen so willkommen war, und beeile mich hiebei auch die beiden weitern sachen zu senden, i. e. die leben der dichter📖 von von der HagenGND Icon, und der gabriel v. Montavel📖, welchem auch noch aus meiner eigenen Handschrift, ein apographum, der Minneburg📖 durch meister Egen von BambergGND Icon, beigebunden ist; vielleicht können sie auch aus diesem gedichte etwas brauchen; recht gerne hätte ich nun noch meres geschickt; aber ich fürchtete, es möchte sie zulezt ermüden, wenn ich all zu starke sendungen mache. Wenn Sie die geistl. Artzney und die Faßtnanchtskrapfen📖 gefälligst wollten abschreiben lassen; so wäre es mir lieb die gesandten abschriften wieder zurück zu erhalten; denn ich komme iezt nur mer mit mühe und anstrengung daran, etwas zum zweiten mal abzuschreiben. Ich hoffe in drei wochen wieder von meiner reise nach NiederdeutschlandWIKIDATA Icon zurückzukommen und meine weinlese selbst zu halten; in 14 tagen denke ich abzugehen; wenn Sie mir also einige probebogen von Irem Lesebuch📖 mit geben wollen, um sie in GöttingenWIKIDATA Icon abzugeben; so bitte ich sie nicht zu versiegeln, damit post- und maut- beamte sich nicht darein zu mischen haben. Ich erhalte eben einen brief von herrn ober tribunal procurator AbelGND Icon aus StuttgartWIKIDATA Icon, nebst einem an in geschriebenen von herrn Professor von der HagenGND Icon. AbelGND Icon hatte in ParisWIKIDATA Icon die bilder aus dem sogenannten Manessischen Codex abgezeichnet und ist wirk lich daran sie in colorirtem steindruke zu geben, 18 stüke sind schon fertig; dies erfur nun herr von der HagenGND Icon und schreibt iezt an AbelGND Icon: er wünscht mit ime rüksichtlich derbilder eine vereinbarung zu treffen; indem er gesinnt seie dieselben ebenfalls, mit einem texte heraus zu geben, welcher ein auszug aus den dichterleben sein würde. meint H. von der HagenGND Icon im ernste, AbelGND Icon werde eine schon angefangene edition im zu liebe /: den er gar nicht kennet; sonst würde ers noch weniger tun :/ auf geben; so ist er warlich ein einfältiger mann; verstehet er aber unter der vereinbarung der bilder, dass sie sich ausschliessend mit seiner werten person vereinbaren sollen; so ist er vollends nicht klug. AbelGND Icon hat mir nun die sache zur entscheidung heimgestellt, was mir gerade nicht viel freude macht; denn auf einer seite wünsche ich schon lange daß die fraglichen bilder einmal zusammen herauskommen möchten; auf der an dern seite ist herr von der HagenGND Icon gar nicht der mann dazu die archaeologische seite dieser aufgabe zu lösen. ich denke sonst wol durchaus: wenn das gute nur geschiehet, gleich viel durch wen; aber ich fürchte hier ist von ime wol nichts gutes zu erwarten. In den dichterleben schien mir unzweifelhaft, dass die anmerkungen zum Ulrich von Lichten steinGND Icon von einem Österreicher /: Kopitar :/ oder steiermärker /: Kalchberg :/ herkommen müssen. Die so stark divergierenden taxationen der BaslerWIKIDATA Icon kunst sammelung habe ich in der zeitung gelesen. soweit sie mir, obschon flüchtig, in in verschiedenen malen bekannt wurde, scheint mir dass der Basler taxator dieselbe näher an einen kaufwert gestellt habe als der ZürcherWIKIDATA Icon FuesslyGND Icon. es ist eben so ver ächtlich, als gemein boshaft, wie man die BaslerWIKIDATA Icon an einem langsamen feuer bratet. W. Grimms Frydanck📖 ist noch nicht ausgegeben; MüllersGND Icon ab druk aus einer schönen Handschrift ist strozend von felern; in den drei ersten bänden des Liedersaales📖 stehet mer als die hälfte von Fry gedank📖, meine handschrift ist von 1312, gehört also zu den ältesten codices des Freidanks📖; soll ich Inen den Liedersaal📖 senden? Sie werden ia doch nur einzelnes in Ir lesebuch📖 aufnehmen. Ich erwarte vor meiner abreise noch einen brief von Inen, vielleicht auch einen nach GöttingenWIKIDATA Icon; man findet so leicht ein par stunden bei früherm aufstehen oder späterem niederliegen. Leben Sie wol! Ich wags, mit got! Ir ergebenster JvLaßberg. Wenn die Bibliotheke verkauft wird; so kauffen Sie mir ia: daz buoch von Sante Martinen📖 einer magede niagede die ainlif marter litt. ich gebe von 20 bis 30 Louis d'ors dafür, das buch sollte wieder nach SchwabenWIKIDATA Icon, wo es zu hause ist, auf der insel MayenauWIKIDATA Icon wurde es gedichtet und zu ConstanzWIKIDATA Icon wurde es geschrieben durch Conrad von S. GallenGND Icon.

Normalisierter Text

Eppishausen am 27. Juni 1834. Hochzuverehrender Herr Professor! Mit Freude habe ich gestern Abend gelesen, dass meine letzte Sendung Ihnen so willkommen war, und beeile mich hierbei auch die beiden weiteren Sachen zu senden, i. e. die Leben der Dichter von von der Hagen und der Gabriel v. Montavel, welchem auch noch aus meiner eigenen Handschrift ein Apographum der Minneburg durch Meister Egen von Bamberg beigebunden ist; vielleicht können Sie auch aus diesem Gedichte etwas brauchen; recht gerne hätte ich nun noch mehr geschickt; aber ich fürchtete, es möchte Sie zuletzt ermüden, wenn ich allzu starke Sendungen mache. Wenn Sie die geistlichen Arznei und die Fastnachtskrapfen gefälligst wollten abschreiben lassen, so wäre es mir lieb, die gesandten Abschriften wieder zurückzuerhalten; denn ich komme jetzt nur mehr mit Mühe und Anstrengung daran, etwas zum zweiten Mal abzuschreiben. Ich hoffe in drei Wochen wieder von meiner Reise nach Niederdeutschland zurückzukommen und meine Weinlese selbst zu halten; in 14 Tagen denke ich abzugehen; wenn Sie mir also einige größere Bogen von Ihrem Lesebuch mitgeben wollen, um sie in Göttingen abzugeben, so bitte ich Sie, nicht zu versiegeln, damit Post- und Mautbeamte sich nicht darein zu mischen haben. Ich erhalte eben einen Brief von Herrn Obertribunalprokurator Abel aus Stuttgart, nebst einem an ihn geschriebenen von Herrn Professor von der Hagen. Abel hatte in Paris die Bilder aus dem sogenannten Manessischen Codex abgezeichnet und ist wirklich daran, sie in koloriertem Steindruck zu geben, 18 Stücke sind schon fertig; dies erfuhr nun Herr von der Hagen und schreibt jetzt an Abel: Er wünscht, mit ihm bezüglich der Bilder eine Vereinbarung zu treffen; indem er gesinnt sei, dieselben ebenfalls, mit einem Text herauszugeben, welcher ein Auszug aus den Dichterleben sein würde. Meint H. von der Hagen im Ernst, Abel werde eine schon angefangene Edition ihm zuliebe /: den er gar nicht kennt; sonst würde er's noch weniger tun :/ aufgeben; so ist er wahrlich ein einfältiger Mann; versteht er aber unter der Vereinbarung der Bilder, dass sie sich ausschließlich mit seiner werten Person vereinbaren sollen, so ist er vollends nicht klug. Abel hat mir nun die Sache zur Entscheidung heimgestellt, was mir gerade nicht viel Freude macht; denn auf einer Seite wünsche ich schon lange, dass die fraglichen Bilder einmal zusammen herauskommen möchten; auf der anderen Seite ist Herr von der Hagen gar nicht der Mann dazu, die archäologische Seite dieser Aufgabe zu lösen. Ich denke sonst wohl durchaus: wenn das Gute nur geschieht, gleich viel durch wen; aber ich fürchte, hier ist von ihm wohl nichts Gutes zu erwarten. In den Dichterleben schien mir unzweifelhaft, dass die Anmerkungen zum Ulrich von Lichtenstein von einem Österreicher /: Kopitar :/ oder Steiermärker /: Kalchberg :/ herkommen müssen. Die so stark divergierenden Taxationen der Basler Kunstsammlung habe ich in der Zeitung gelesen. Soweit sie mir, obschon flüchtig, in verschiedenen Malen bekannt wurde, scheint mir, dass der Basler Taxator dieselbe näher an einen Kaufwert gestellt habe als der Zürcher Füßli. Es ist ebenso verächtlich, als gemein boshaft, wie man die Basler an einem langsamen Feuer brät. W. Grimms Freidank ist noch nicht ausgegeben; Müllers Abdruck aus einer schönen Handschrift ist strotzend von Fehlern; in den drei ersten Bänden des Lieder-Saales steht mehr als die Hälfte von Freigedank, meine Handschrift ist von 1312, gehört also zu den ältesten Codices des Freidanks; soll ich Ihnen den Lieder-Saal senden? Sie werden ja doch nur Einzelnes in Ihr Lesebuch aufnehmen. Ich erwarte vor meiner Abreise noch einen Brief von Ihnen, vielleicht auch einen nach Göttingen; man findet so leicht ein paar Stunden bei früherem Aufstehen oder späterem Niederlegen. Leben Sie wohl! Ich wague es, mit Gott! Ihr ergebenster Jv. Lassberg. Wenn die Bibliothek verkauft wird, so kaufen Sie mir ja: das Buch von Sante Martinen einer Magde, die ein Leid einiges Martyrium litt. Ich gebe von 20 bis 30 Louis d'ors dafür, das Buch sollte wieder nach Schwaben, wo es zu Hause ist, auf der Insel Reichenau wurde es gedichtet und in Konstanz wurde es geschrieben durch Konrad von Sankt Gallen.

Translation

Eppishaus on June 27, 1834. Highly revered Professor! With joy, I read yesterday evening that my last shipment was so welcome to you, and I hasten to send you the two other things, i.e., the lives of the poets by von der Hagen, and Gabriel v. Montavel, to which I have also added, from my own manuscript, an apograph of the Minneburg by Master Egen von Bamberg; perhaps you can find something useful in this poem as well; I would have gladly sent more, but I feared it might tire you out if I send too much at once. If you could kindly have the spiritual medicine and the carnival donuts copied for me, I would appreciate receiving the copies back; for now, I only manage with difficulty and effort to copy anything a second time. I hope to return from my trip to Northern Germany in three weeks to conduct my grape harvest myself; I plan to leave in 14 days; so if you would like to send me some large sheets from your reader to deliver in Göttingen, please do not seal them, so that the postal and customs officers do not meddle in them. I have just received a letter from Mr. Senior Tribunal Procurator Abel from Stuttgart, along with one addressed to you from Professor von der Hagen. Abel had copied the pictures from the so-called Manessian Codex in Paris and is indeed preparing to publish them in colored lithograph, 18 pieces are already finished; Mr. von der Hagen now learned of this and is writing to Abel: he wishes to come to an agreement with him regarding the pictures, as he intends to publish them as well with a text, which would be an excerpt from the poets' lives. If Mr. von der Hagen seriously thinks Abel will abandon an already started edition for his sake /: whom he doesn't know at all; otherwise he would do it even less :/, then he is indeed a naive man; but if he means by coming to an agreement about the pictures that they should exclusively suit his esteemed person, then he is not wise at all. Abel has now put the matter in my hands for decision, which doesn't give me much pleasure; because on one hand, I have long wished for these pictures to be finally published together; on the other hand, Mr. von der Hagen is not at all the right person to solve the archaeological aspect of this task. Normally, I think: if only the good is done, it doesn’t matter by whom; but I fear nothing good is to be expected from him here. In the poets' lives, it seemed to me undoubtedly that the annotations on Ulrich von Lichtenstein must come from an Austrian /: Kopitar :/ or a Styrian /: Kalchberg :/. The diverging valuations of the Basel art collection which I read about in the newspaper, albeit briefly in various installments, seem to me that the Basel appraiser placed them closer to a market value than the Zürcher Fuessly. It is contemptible and wickedly spiteful how they roast the Baselers on a slow fire. W. Grimm's Frydanck is not yet published; Müller's printout from a beautiful manuscript is rife with errors; in the first three volumes of the Songbook series, more than half of Frydanck is present, my manuscript is from 1312, and therefore belongs to the oldest codices of Freidank; should I send you the Songbook? Surely, you will only take certain parts for your reader. I expect a letter from you before my departure, perhaps even one to Göttingen; one so easily finds a couple of hours by rising early or going to bed late. Farewell! I dare, with God! Your humble JvLaßberg. If the library is sold; please buy me the book of Saint Martine of a maiden who suffered a martyrdom. I am offering 20 to 30 Louis d'ors for it; the book should return to Swabia, where it belongs, it was composed on the island of Mainau and written in Constance by Conrad von S. Gallen.