Aschermittwoch
1835. In
erwiederung Irer werten zeilen vom 26 februar, die ich vorgestern erhielt,
erzäle ich Inen
mein verertester Herr Professor! dass ich erst am 11 September v. i. von der
villa Epponis
verreiste, einen tag bei
Uhland
in
Tübingen
und einen andern bei
Schwab
in
Stuttgart
zubrachte und dann über
Speyer
,
Worms
,
Mainz
,
Coblenz
,
Bonn
,
Cöln
und
Düsseldorf
nach
Münster
in
Westphalen
gelangte: eine stunde davon zu
Rüschhauss
fand ich die
ienige
, mit welcher ich seit 3 iaren briefe wechselte und wegen welcher
ich eigentlich
die reise unternam. am iarestage der leipziger schlacht vermälte ich mich mit dieser
Jenny Droste zu Hülshoff
und trat auch denselben tag meine heimreise an;
allein das
abschiednemen meiner frau bei 17 oder noch mer oheimen, muhmen, vettern und basen
verzögerte dieselbe ungemein. in
Herstelle an der
Weser
, dessen alte
kaiserburg
eine
muhme
meiner
frau
mit einer neuen überbaut hat, ließ ich
meine
frau
und gieng über den
Solling
nach
Göttingen
. ich traf die lieben freunde
Grimm
nicht so an, wie ich
wünschte:
Wilhelm
war wirklich krank und bekam, nach meiner abreise, eine brustentzündung,
Jacob
litt ein wenig an den augen, konnte aber doch ausgehen; seine
teutsche
mythologie📖, von welcher schon 128 seiten der ein leitung und eben so
viel am texte gedrukt waren, schreitet rasch vorwärts; er gab mir einige
aushängebogen mit, weil er meinte ich könne im auch einige beiträge liefern:
er und ich brachten einen abend bis tief in die nacht, recht studentisch fidel
bei dem wakern
Benecke
,
meinem landsmanne zu; auch ein anderer landsmann, der 84 iährige
Reuss
,
nam mich ser freundlich auf. von der universität sahe ich nichts als die bibliotheke,
das heisst ich sahe die saaele und rüken der bücher; ich gieng nach wenigen
tagen traurig von der georgia. augusta hinweg, weil ich meine freunde unwol
zurüklassen musste; nun aber habe ich gottlob nachricht, dass
Wilhelm
seine krankheit überstanden, und gänzlich auf
der besserung ist. auf der heimreise besuchte ich zu
Bonn
den herren
B. Hundeshagen
; denn mich gelustete gar zu ser
seinen codex des
Nibelungenliedes zu sehen; es kostete mich aber viele mühe, überredung und eine
lederne geduld bis ich bei dem zweiten besuche endlich dazu gelangte. eine papierhandschrift
aus der mitte des XV. iarhunderts in klein folio, mit einigen 40 ser mittelmässigen
aquarellgemälden, der text ist schon ser verdorben und häufig interpolirt;-was er mer hat als
andere handschriften, ist von keinem kritischen werte, indessen ist es mir doch
lieb aus selbstansicht endlich zu wissen; wie viel oder wie wenig der codex wert ist.
H. Hundeshagen
gehört unter die unglüklichen seher, deren augen sich alles anderst
darstellet als den augen anderer gesunder menschen; bei uns
Schwaben
nennt
man solche leute mit der pelzkappe geschossen. Ich nam meinen
weg nach hause wieder über
Stuttgart
und
Tübingen
, wo ich wieder einen schönen tag mit
Uhland
s
zubrachte. am 8 December kamen wir endlich in
der zelle des heiligen
Eppo
an, die wir seitdem nicht verlassen haben und auch sobald nicht zu verlassen
gedenken und in welcher es mir besser als iemal gefällt. Die
grüsse von
Grimms
an Sie will ich hiemit hier
interpoliren, obschon sie eigentlich dem texte ange hören Syd mans alles reden sol, So
ist zer welt nieman wol Wan der ain liebes wib hat, Vnd
sich vff ir trüwe lat. Wenn Sie verertester Herr! mir nun
meine handschriften und bücher, nach gemachtem gebrauche,
wieder senden wollen; so ist es mir ganz recht: wie ser erfreuten Sie mich durch die
nachricht, dass Sie mir auch etwas von
Lachmann
und
Hofmann
mitzusenden haben;
auf das von ersterem bin ich äusserst begierig, es kann nur etwas ser gutes sein, der
alte
Benecke
tut ganz hochfärtig mit diesem iünger, und die sonst so lobkargen
Grimm
s lassen im alle gerechtigkeit widerfaren. H.
Hofmann
kenne ich nicht
persönlich; in
Stuttgart
sagte
mir
Schwab
,
dass er mit
Schmeller
mich den lezten herbst besuchen wollte als sie zusamen in der
Schweiz
waren, wo sie meine abwesenheit erfuren.
Jacob
Grimm
zeigte mir ein
altteutsches fragment,
das
Hofmann
auf der
bibliothek zu Basel
entdekt und dort hat druken lassen; ein anderes
bruchstük aus
der fürstenbergischen bibliothek zu
Prag
, das er dort
durchreisend herausgab, las ich noch auf der reise. wie ser freue ich mich auf Ir
Alt Teutsches lesebuch📖 und die nachricht von seiner
beendigung!
Benecke
und
Grimm
lobten diese idee ser und glaubten sie
sei in der
ausfürung in gute hände gefallen. iezt bedaure ich Inen nicht noch mer inedita
aus meinem
vorrate gesendet zu haben; aber ich war damal mit ganz andern dingen
beschäftiget und mit dem gemüte schon halb von hier abwesend. Ser verbunden
werde ich Inen sein, wenn Sie die güte haben wollen, mir iezt schon so viel
davon zukommen zu lassen, als bereits gedrukt ist.
Masmanns
gothica📖
haben Sie wol auch schon gelesen: es will mir doch vor kommen, als wenn
das wenige mitgeteilte und das ganze eroberte doch noch nicht so gewaltig
wichtig wäre, als der gute gevatter meint. Nun genug für heute! leben Sie wol,
gott befolen von Irem ergebensten JvLaßberg.