Auf der alten
Meersburg am 17 October. 1840. Tandem aliquando! rief ich, mein hochvererter herr und
freund! beim erbliken der eben sowol bekannten, als lange vermissten
schriftzüge aus, und so angenem mir das geschenk unsers lieben
Wilhelm
Grimm
war; so ser schmerzt mich die nachricht, welche Sie mir von dem zustande Irer
gesundheit geben, welche mir schon im lezten sommer Herr Professor
De Wette
, der uns hier mit seiner
frau
besuchte, als leidend schilderte. Liegt das übel im unterleibe; so giebts
dagegen nur ein
mittel: reisen, reisen nach einem milden himmelsstriche; ist es aber von
nervöser natur; so weiss ich nicht, was ich tun würde; aber, wo eine ganze medizinische
facultät ist, braucht man keinen laien zu rate zu ziehen. Möge der winter
Inen besser bekommen! Was uns betrift so leben wir, dem lieben gott sei tausend
dank dafür! alle alt und iung, so gesund und vergnügt in unserer alten burg, als wir nur
es wünschen können, und grüssen Sie und wejb und kind auf das herzlichste. wie oft
haben meine frau und ich schon den wunsch aus gesprochen: dass
Sie alle drei einmal zu uns kommen und einige stillvergnügte tage bei uns
verleben möchten! Ich weiss gewiss, dass Sie sich sowol in der hellen,
warmen und geräumigen
Dagobertsburg
,
und der schönen aussicht über den ganzen
Bodensee
, von
einem ende zum andern, gefallen würden, als auch in meinem, nun endlich
angefüllten büchersaale, der das ehemalige fürstbischofliche Archivlocal und
noch ein paar gemache dazu begreifft, mit anstossendem schreibzimmer, von dem
ich die reihen der bücherkasten übersehe. Deus nobis haec otia fecit aber mit dem arbeiten
will es noch nicht recht zu gange kommen; ich werde allzuoft
gestört: gelerte und ungelerte kommen häufig den alten burgvogt und seine
handschriften zu besuchen.
Hoffmann von Fallersleben
und herr
Pfeiffer
aus
Solothurn
haben Inen wol meine grüsse ausgerichtet. Professor
Reyscher
aus
Tübingen
, der das
vorwort
zu meines
Friz📖 Schwabenspiege📖 gemacht hat, und dessen college Prof,
Michaelis
; sogar ein
Baseler
Theologe
fand, wie schon gesagt, den weg in unsere alte mauren; dann im laufe des sommers
schneite es landsleute meiner guten
Jenny
in
unser haus; die frommen wakeren westphalen aus dem
Pumpernikellande
gefielen sich ser in unserer alten burg, im vergleiche mit iren kaien und fahlen heiden. auch
die entfernten freunde dachten an mich:
Uhland
verkündete mir die vollendung seines
werkes über
das volkslied📖, und das nahe beginnen seines drukes.
Lachmann
beschenkte mich mit 20 alten liedern von den
Nibelungen📖; die bearbeitung der übrigen verhinderte die nähe des
buchdrukerfestes. Aber, was habe ich zu geben! nichts als ein Vergelts Gott!
- Indessen habe ich doch hie und da etwas getan; aber mer für andre leute als für mich
selbst. Urkunden für meinen codex diplomaticus abschreiben, das gehet noch;
weil man da abbrechen kann, wann man will, auch habe ich deren schon eine hübsche anzal
inedita beisamen.
Eine gute handschrift von
Taulers Predigten
, cod. pap., dann die werke des 1331
gestorbenen abts
Engelbert von
Admont
, 2 bände in 4to, eine
Vita
sanctorum seculi XIV📖, alles auf pergament, und eine
späte aber gute handschrift von
Wilhelm von
Orlienz📖 in niederrheinischer schreib art, und eine
sammlung Westphaelischer Lieder 1579. worinne auch
ein verwandter meiner frau,
Eberwin Droste
als
dichter erscheint, habe ich, seit ich hier bin, erworben. Dieses iar sind w[...]en liedern
gesegnet worden, welche aber zum teile, z. b. die bei [ ... ] sstetun. Dr.
Marbachs
übersezung ist wol, weder das schöne papier, [...] ersehe bilder
und vignetten, welche mich auch nicht besonders erfreut haben, wert [...]ol
Cotta
zuletzt noch liefern wird? Es ist überall gegen wärtig wenig
verstand und noch weniger reiner kunstgeschmak. An Irem schönen
und guten lesebuch felen mir noch die dedication, vorrede und sogar die nachrede, welche,
wie ich höre, keine üble nachrede sein soll: denken Sie vererter freund! doch darauf mir
diese defecte einmal zu übermachen. Mit freuden haben wir Ires kindes und Irer frauen
wolbefinden vernommen; was uns betrift, so haben wir lezten
sommer alle zusamen eine reise nach
Westphalen
gemacht; aber für dies mal blos in gedanken; denn Jupiter pluvius hat alles verschwemmt, und
als das gute wetter kam, war es schon zu späte; daher kam iezt unsere gute schwiegermutter,
bleibt den winter bei uns und nimmt uns auf den sommer mit sich nach
dem frommen pumpernikel lande, wo wir bei onkels vettern und basen herumziehend,
bis auf den
herbst zu bleiben gedenken. Nun ade! und gott befolen von Irem
Joseph von Laßberg
.