Auf der alten
Meersburg am Bodensee den 7 April. 1842. Vererter Herr und Freund! So eben bringt mir
ein verwandter meiner frau, in einem briefe von
Maßmann
,
beikommenden einschluß an Sie, den ich nicht absenden kann, one einen gruß beizufügen.
mögen Sie mit
weib
und
kind recht wol sein! so wol als wir alle auf der alten
Dagobertsburg
uns
befinden. one
zweifel schreibt Inen
Maßmann
von dem Grimmischen funde, aus einem
Merseburger
Missale, der mir doch nicht so ungeheuer wichtig erscheint, als man ausgeposaunet hat.
ich habe gestern aus
Würzburg
einen
codex erhalten, der einst dem
prediger kloster zu
Bamberg
gehoert.
darinne stehen, von zerschiedenen händen und aus zerschiedenen zeiten, allerlei gute
sachen, des XI. XII. u. XIV. Jarhunderts, das beste sind wol 4 stücke zur
Theotisca gehörig auf 12 blättern: ein glaubens bekenntniß, eine
beichte, beschreibung des himmels, beschreibung der hoelle. die teutschen sachen sind aus
den ersten Decennien des XII. Jarhunderts; aber man will 500 gulden dafür haben,
und das
scheint mir doch zuviel für das was es ist. ich werde den
codex nicht kaufen; aber für eine Bibliotheke, die nichts altteutsches
besizt, wäre es eine schäzbare erwerbung. Ich habe diesen winter
merere handschriften erworben, aber nichts ser altes. darunter ein
franzoesches
gedicht vom leben Mariae📖, das die sonderbarsten verirrungen des
menschlichen geistes und proben der ausschweifendsten phantasie mit den gröbsten
historischen felern vereiniget. z. B. eine tochter
Abrahams
gehet in den garten, riecht an einer blume und wird davon schwanger,
sie gebaeret einen son, der
Phanuel
genennt wird. dieser isset aepfel, wischet das messer, womit er sie geschaelet hat, an
seinem schenkel ab, und der schenkel wird von dem daran
geschmirten safte schwanger, nach neun monaten koemmt ein mädchen heraus, und
dies ist
Anna
, die mutter
Mariae
,
der mutter des
Heilandes
. etc. etc. etc. Sollten Sie einmal zeit finden mich wieder mit einem par
zeilen zu erfreuen; so bitte ich mir auch zu sagen, was Ire nachbaren, unsere lieben
freunde, Herr
Burkhardt-Iselin
und seine
liebe
frau
machen? schon so lange hoeren wir nichts mer von inen, und ich fürchte, die boese
Morbona
möchte in dem hause der guten uns so werten leute
eingekeret sein. und dann bitte ich nicht darauf zu vergessen, und mir auch die vor- und
nach-rede zur
2ten ausgabe
ires Lesebuchs📖 zu senden. Wir alle grüßen Sie und die
frau
Professorin
auf das herzlichste. Leben Sie wol! Gott befolen! von Irem JvLaßberg.