138. Auf der alten
Meersburg am 2. August. 1842. Vererter Herr und Freund! Hier folgt ein
kleines specimen meiner alten tätigkeit. "nemen Sie es mit
nachsicht auf!" ist eine so verbrauchte redensart, daß ich mich schaemen
würde sie hier anzuwenden: nein, nemen Sie es nicht mit nachsieht auf! und
sagen Sie mir lieber, was Inen daran und darinne missfaellt! Ich danke Inen
auch, dass Sie die güte hatten, unsere grüsse bei H.
Burkhard Iselin
auszurichten: moechte ich Inen auch danken koennen für gute
nachrichten, die Sie uns von Irem und der Irigen befinden geben
sollten! - gehet es unsern wünschen nach; so muss dasselbe ser gut sein. Über die so
langwierige belagerung und zerstoerung der burg zu
Hohenzollern
hat
keiner unserer schwaebischen geschichtschreiber einen ver ständlichen
bericht verlassen; ich dachte also, es moechte angenem sein etwas naeheres
darüber zu hoeren. hat
das
gedicht📖 auch keinen poetischen wert; so hat es doch gewiss einen sprachlichen;
denn die teutsche literatur des zeitraumes von 1400-1450. ist doch wirklich arm an mustern.
Die
lieder der
beiden Hohenstaufen📖 sind auch nicht zu verachten, und
Kleinheinzens
gedicht📖 ist ein tüchtiges gegenstük zu den
beiden S.
Johannsen📖, und das
ge dicht des
Franzosen📖 ist um kein haar toller, als die neueste Berliner
Religionsphilosophie; aber doch noch tolle genug. Neues genug in der
Theotisca! 2 neue übersezzungen des
Nibelungen
liedes📖,
von
Marbach📖
die eine, von
Pfizer📖
die andere, welche beide die suppe nicht fett machen werden: eine
dritte📖,
von dem ehemaligen Professor
Follen
in
Zürich
, soll, wie ich hoere, auch nächstens erscheinen. alles dieses manet
mich an die vielen übersezzungen von
Virgils Aeneis📖, die in
meiner iugendzeit herauskamen; was waren sie? bei dem barte
Friderichs des I.
! sie sind und waren nicht Virgilisch!
Franz Pfeiffer
von
Solothurn
sizzet
in
Stuttgart
und laesst da seinen
Barlaam und
Josaphat📖 druken: das wird ein gut stük arbeit werden.
hernach will er an den
Wilhelm von
Orlienz📖 gehen und nach und nach den ganzen
Rudolf von
Ems📖 heraus geben.
Cotta
in
Stuttgart
will eine ganze reihe mittelhoch teutscher
dichter herausgeben; ich hoffe doch: inedita. Prof.
Albert Schott
, früher in
Zürich
, nun in
Stuttgart
, soll eine einleitung dazu schreiben, und war deshalb 4 wochen bei
mir, in
meinem büchersaale arbeitend. da er mir den plan seines werkes nicht
mitgeteilt hat; so weiss ich nicht von was für an sichten er dabei
ausgehen wird.
Uhland
ist eben nach
Schweden
abgereiset); so
liegt denn sein
werk über das
teutsche volkslied📖 wieder, gott weiss auf wie lange, hinter dem ofen. Wir alte und iunge leute, in der
Dagebertsburg
,
leben ganz stille, ruhig, und was dem lieben Gott am meisten zu verdanken ist,
gesund und
zufrieden. was die täglich naerrischer werdenden welthändel
anbetrift, so kann und muss ich sagen: oblites eorum,
obliviscendus et illis! Leben Sie wol! herzlich von uns allen gegrüßet und gott befolen!
von Irem Joseph von
Laszberg.