Original Text
Hochverehrter Herr
Baron, meine
ergebensten und herzlichsten Glückwünsche zu dem neuen schoenen Leben das in der
Villa
Epponis
, lange genug einem "armen Kloesterlein", begonnen hat. Die Nachricht hat
mich um so mehr erfreut, als sie mir ganz und gar unerwartet kam: ich bin seit Jahr und Tag
ohne Brief aus
Göttingen
. Darf
ich Sie bitten mich der Gnade Ihrer
Frau
Gemahlin
gehorsamst zu empfehlen? Nehmen Sie
das
altdeutsche Lesebuch📖 ohne Zürnen an: betrachten Sie es als einen Versuch
mich für so
viel Güte einigermassen dankbar zu erweisen; nehmen Sie es, wenn Sie wollen, auch für
ein Hochzeitsgeschenk. ich wusste mich nicht auf bessere Weise erkennt lich
zu zeigen, und wollte is doch gerne irgendwie thun. Endlich kommen
nun auch die vielen Bücher, die ich so lange habe hier behalten dürfen, zu ihrem Herrn
zurück; mit ihnen einige andre, die Ihnen auch schon laengst gehoeren, von
Lachmann
und
Hoffmann
(mochten Sie so gütig seyn das andre Exemplar der Fragmenta theotisca nach
S.
Gallen
zu befördern?) so wie eine kürzlich von
Prof.
Hagenbach
und mir herausgegebene Sammlung neuerer Gedichte, die den Armen
im Gebirge bereits tausend Franken eingetragen hat und, so Gott will, noch mehr
eintragen wird. jenen Studenten, von dessen Unglück ich Ihnen vor bald einem Jahr geschrieben,
habe ich seit
dem December, wo ich ihn aus einer Heilanstalt im
Badischen
abgeholt, wieder hier, er ist so gut wie hergestellt, nur dass ich immer noch der
Einzige bin zu dem er Zutrauen besitzt (den Eltern ist er entfremdet, zum Theil nicht ohne
ihre Schuld); er studiert und dichtet dass es eine Freude ist. ich weiss nicht
ob ich auch für den zweyten Band, dessen Druck unverzüglich beginnen soll, ebenso
förderliche Unterstützung von Ihrer Güte erwarten darf. Wenn ich nur recht bald
erführe wie
Sie mit dem ersten zufrieden sind. gönnen Sie mir darüber einige freund liche
Zeilen. Mit
Widerholung meiner Bitten und Wünsche Ihr gehorsamst ergebener Wilh.
Wackernagel Dr.
Normalisierter Text
Hochverehrter Herr Baron, meine ergebensten und herzlichsten Glückwünsche zu dem
neuen schönen Leben, das in der Villa Epponis, lange genug einem "armen
Klösterlein", begonnen hat. Die Nachricht hat mich umso mehr erfreut, als sie
mir ganz und gar unerwartet kam: ich bin seit Jahr und Tag ohne Brief aus
Göttingen. Darf ich Sie bitten, mich der Gnade Ihrer Frau Gemahlin gehorsamst zu
empfehlen? Nehmen Sie das altdeutsche Lesebuch ohne Zürnen an: betrachten Sie es
als einen Versuch, mich für so viel Güte einigermaßen dankbar zu erweisen;
nehmen Sie es, wenn Sie wollen, auch für ein Hochzeitsgeschenk. Ich wusste mich
nicht auf bessere Weise erkenntlich zu zeigen, und wollte es doch gerne
irgendwie tun. Endlich kommen nun auch die vielen Bücher, die ich so lange habe
hier behalten dürfen, zu ihrem Herrn zurück; mit ihnen einige andere, die Ihnen
auch schon längst gehören, von Lachmann und Hoffmann (möchten Sie so gütig sein
das andere Exemplar der Fragmenta theotisca nach S. Gallen zu befördern?) sowie
eine kürzlich von Prof. Hagenbach und mir herausgegebene Sammlung neuerer
Gedichte, die den Armen im Gebirge bereits tausend Franken eingetragen hat und,
so Gott will, noch mehr eintragen wird. Jenen Studenten, von dessen Unglück ich
Ihnen vor bald einem Jahr geschrieben, habe ich seit dem Dezember, wo ich ihn
aus einer Heilanstalt im Badischen abgeholt, wieder hier, er ist so gut wie
hergestellt, nur dass ich immer noch der Einzige bin, zu dem er Vertrauen
besitzt (den Eltern ist er entfremdet, zum Teil nicht ohne ihre Schuld); er
studiert und dichtet, dass es eine Freude ist. Ich weiß nicht, ob ich auch für
den zweiten Band, dessen Druck unverzüglich beginnen soll, ebenso förderliche
Unterstützung von Ihrer Güte erwarten darf. Wenn ich nur recht bald erführe, wie
Sie mit dem ersten zufrieden sind. Gönnen Sie mir darüber einige freundliche
Zeilen. Mit Wiederholung meiner Bitten und Wünsche Ihr gehorsamst ergebener
Wilh. Wackernagel Dr.
Translation
Highly esteemed Baron, My most devoted and heartfelt congratulations on the new
beautiful life that has begun in Villa Epponis, which was long enough a "poor
little cloister." The news delighted me all the more as it came to me completely
unexpectedly: I have been without a letter from Göttingen for quite some time.
May I kindly ask you to present my respects to your gracious wife? Please accept
the old German reading book without anger: consider it an attempt to show some
gratitude for so much kindness; accept it, if you wish, also as a wedding gift.
I couldn't think of a better way to express my gratitude, and I nevertheless
wanted to do so in some way. Finally, the many books, which I have had the
privilege of keeping here for so long, are returning to their owner; among them
are some others that have long belonged to you, from Lachmann and Hoffmann
(would you be so kind as to forward the other copy of the Fragmenta theotisca to
S. Gallen?) as well as a recently published collection of newer poems by Prof.
Hagenbach and myself, which has already earned the poor in the mountains a
thousand francs and, God willing, will earn even more. I have had that student,
whose misfortune I wrote to you about almost a year ago, with me again since
December when I picked him up from a sanatorium in Baden; he is virtually
recovered, although I am still the only one he trusts (he is estranged from his
parents, not entirely without their fault); he studies and writes poetry that
brings joy. I do not know if I can expect equally favorable support from your
kindness for the second volume, whose printing is to begin immediately. If only
I could soon learn how satisfied you are with the first one. Allow me a few kind
lines about it. With a repetition of my requests and wishes, Your most
obediently devoted, Wilh. Wackernagel Dr.